Frankfurts Kreativmessen – quo vadis?
Ein Gespräch mit den Machern der drei großen Frankfurter Kreativmessen über Zukunftsvisionen und konkrete Pläne.
Noch ist an Gedränge rund um Messestände oder vollbesetzte Hallen bei Kongressen und Runways nicht zu denken. Das weltweite Messegeschehen unterliegt jedoch nicht erst seit der Corona-Pandemie einem großen Wandel. Branchenübergreifende Mega-Trends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit führen ebenfalls zu einem Um- und Neudenken. Frankfurt beheimatet zahlreiche Messen. Darunter mit der Musikmesse und der Buchmesse, seit diesem Jahr auch der Frankfurt Fashion Week, renommierte Kreativmessen mit internationaler Strahlkraft. Wie geht es weiter, wie geht es (wieder) los?
Mit Blick auf das letzte Jahr und Ihre aktuellen Planungen: Was wird es so nicht mehr geben, was wird wichtiger, und was wird kommen?
Kathrin Grün, Frankfurter Buchmesse: Inhaltlich wird es nach einem für Branchenmessen schwierigen Jahr jetzt noch wichtiger, Geschäftspartner:innen zusammenzuführen, fachlichen Austausch und Networking zu ermöglichen. Dafür entwickeln wir als weiteres Standbein der Frankfurter Buchmesse unsere digitalen Geschäftsmodelle weiter. Darüber hinaus intensivieren wir unsere ganzjährigen Maßnahmen auf Auslandsmessen und Kooperationen mit Kreativbranchen, z. B. mit der Jakarta Content Week.
Auch im Oktober 2021, im zweiten Jahr der Pandemie, steht die Sicherheit aller Teilnehmer:innen im Vordergrund. Entsprechend passen wir unser Hygiene-Konzept an die Pandemiebedingungen an – hier haben wir mit unserem Gastgeber, der Messe Frankfurt einen sehr verlässlichen Partner. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören u.a. ein großzügiges Hallenlayout mit verbreiterten Gängen und eine verstärkte Regelung der Besucherströme.
Wolfgang Weyand, Musikmesse Frankfurt: Grundsätzlich hoffen wir darauf, dass vieles aus den Zeiten vor Corona auch nach Corona wieder stattfinden wird. Für die Musikmesse sind das insbesondere der persönliche Austausch, die Sessions und Workshops wie die Konzerte. Für gemeinsames Musizieren ist Nähe unabdingbar.
Olaf Schmidt, Frankfurt Fashion Week: "Phygitale Messen" sind das Stichwort – Messen, die sowohl physische als auch digitale Elemente beinhalten. Rein physische Messen, Konferenzen oder Runway Shows sind heute nicht mehr zeitgemäß. Dieser Trend hat sich bereits vor Corona abgezeichnet, durch die Pandemie wurde er aber beschleunigt und musste schnell umgesetzt werden. Nichts desto trotz leben Messen von persönlichen Treffen, vom Fühlen und Sehen der Stoffe und Materialien, vom Face-to-Face-Austausch. Daher ist der Wegfall von physischen Formaten ebenso undenkbar, wie eine zukünftige Messe ohne digitale Elemente. Wichtig wird sein, hier die richtige Balance zu finden und die Schnittstelle zwischen und On- und Offlineexperience so nahtlos wie möglich zu gestalten. In diesem Kontext ist es für kontemporäre Messekonzepte vor allem von großer Relevanz, ganzheitliche Eco-Systeme zu entwickeln, die sowohl Services als auch UX im Plattformgedanken phygitalisieren und damit für alle Stakeholder monetarisierbar machen – exakt diese Schnittstellenfunktion wird zukünftig gleichzeitig der Mehrwert sein, den Messen bieten, wie auch ihre Daseinsberechtigung.
Messen sind ein Spiegel der Märkte, die sie repräsentieren. Welche Branchenentwicklungen erkennen Sie aktuell im Musik-, Mode- und Verlagsbereich und wie reagieren Sie mit Ihren jeweiligen Messen darauf?
Olaf Schmidt: In der Modebranche passiert gerade unglaublich viel – Corona hat die Missstände der Wertschöpfungskette noch sichtbarer gemacht. Gleichzeitig hatten Verbraucher und Verbraucherinnen Zeit, sich Gedanken über ihr Konsumverhalten und insbesondere ihre Konsumbedürfnisse zu machen. Das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und die Verantwortung, die man als Konsument oder Konsumentin mit der eigenen Kaufentscheidung trägt, sind gewachsen. Diese Kombination hat dazu geführt, dass Brands und Produzierende reagieren mussten – mit neuen Strategien, die rund um das Thema Nachhaltigkeit platziert sind. Für diesen Wandel wollen wir ein Katalysator sein – Frankfurt wird zum Impulsgeber der Fashion- und Lifestylebranche. Ganz bewusst haben wir Sustainability und Digitisation zu den Leitthemen der Frankfurt Fashion Week benannt. Das sind die Themen, die die Branche momentan und in Zukunft bewegen. Wie ernst es uns ist, zeigen unsere Partnerschaften mit der Conscious Fashion Campaign und dem United Nations Office for Partnership. Die Messe Frankfurt arbeitet bereits seit einiger Zeit mit dem United Nations Office for Partnerships zusammen – mit unserem Texpertise Network unterstützen wir seit 2019 die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN, die SDGs. Außerdem geht es uns darum, auch den zweiten aktuellen Innovationstreiber der Branche fest zu verankern – die Digitalisierung der Wertschöpfung; schließlich wären viele Nachhaltigkeitsziele der Industrie ohne ihre technologischen Counterparts überhaupt nicht realisierbar. Wir werden die international relevantesten Gamechanger hinsichtlich der Digitalisierung von Supply Chains einladen, Teil der FFW zu werden. Das Thema Digitalisierung zieht sich zudem durch die gesamte Frankfurt Fashion Week selbst: Alle Einzelformate, die erst als Gesamtes die Frankfurt Fashion Week ergeben, werden nicht nur vor Ort, sondern immer auch parallel mit digitalen Komponenten konzipiert und inszeniert.
Wolfgang Weyand: Der Musikinstrumentenbereich – insbesondere was Gitarren und elektronische Geräte angeht- ist gestärkt aus der Krise hervor gegangen. Die Menschen haben zu Hause das Musizieren am Computer oder live in den eigenen vier Wänden für sich entdeckt. Von dieser positiven Entwicklung hat der Onlinehandel am meisten profitiert, der kleine Fachhändler leider nicht. Insofern hat Corona die Hersteller in vielen Bereichen durchaus gestärkt, der Handel ist weiter auf dem Weg Richtung Marktkonzentration.
Kathrin Grün: Wir sehen bei vielen Verlagen und Buchhandlungen, dass sie im vergangenen Jahr trotz der pandemiebedingten Einschränkungen sehr kreativ mit der Situation umgegangen sind. Sie haben digitale Veranstaltungen umgesetzt, neue Vertriebswege erschlossen und den Service und direkten Kundenkontakt ausgebaut. Mit unseren Veranstaltungen in der Stadt unterstützen wir diesen Austausch von Verlagen und Buchhandlungen mit den Endkund:innen. Bei unseren Event-Formaten auf dem Messegelände, die wir gemeinsam mit EU-Partnern, Ehrengast, Verlagen und Medienpartnern durchführen, greifen wir aktuell drängende Themen wie Nachhaltigkeit, Gendergerechtigkeit und Barrierefreiheit auf. So steht die diesjährige ARD-Buchmessebühne in der Festhalle unter dem Motto: "Wie wollen wir leben?"