Es bleibt alles anders
Interview mit Galeristin Anita Beckers
Mit der Frankfurter Galeristin Anita Beckers haben wir über den Wandel des Kunstmarktes und die Perspektiven für den Nachwuchs gesprochen. Beckers ist die Sprecherin der Interessensgemeinschaft der Galerien in Frankfurt.
Frau Beckers, wird »online« auch im Kunstmarkt das vielzitierte »new normal«?
Ich denke, das lässt sich nicht einfach mit »Ja« beantworten: Neue Verkaufsplattformen können ein Zusatzangebot darstellen, allerdings können sie im Bereich der Kunst die sinnliche Erfahrbarkeit eines Werkes nicht ersetzen. Die Coronapandemie hat dazu beigetragen, dass weltweit die Nutzung des Internets zur Verkaufsförderung explosionsartig angewachsen ist.
Covid-19 hat den Druck zur digitalen Aufrüstung enorm verstärkt, um überhaupt am Markt konkurrenzfähig bestehen zu können. Mit dem neuen Förderprogramm des Bundes sind hier jedoch auch Zusatzchancen für die Galerien entstanden.
Künstliche Intelligenz im Kunstmarkt: Eher Konkurrenz oder Erweiterung menschlicher Kunst?
Wir leben in einer technikaffinen Welt, diese Entwicklungen spiegeln sich schon von jeher in der zeitgenössischen Kunst wider. KI kann unser Leben positiv beeinflussen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. KI kann kreatives Denken nicht ersetzen, es entstehen aber neue zusätzliche Übungsfelder mit offenem Ausgang.
Der Frankfurter Kunstverein ist eine Institution, die sich stark mit diesen Zukunftsthemen in ihrem Ausstellungsprogramm beschäftigt und Projekte dazu mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern entwickelt. Die Kunst hat die große Freiheit, sich in diesen neuen Techniken auszuprobieren, deshalb bleibt es spannend, welche Erkenntnisse zum Thema KI entstehen.
Wie verhält sich der deutsche Kunstmarkt zum Weltmarkt?
Der internationale Kunstmarkt mit seiner immensen Wirtschaftskraft bildet sich in Deutschland kaum ab. In unserem Land bestimmen die Auktionsrekorde die Headlines der Kunstmarktseiten der Tagespresse und erzeugen für die Politik ein völlig verzerrtes Bild. Galerien wie Zwirner oder Gagosian in New York erzielen individuell einen höheren Jahresumsatz als der gesamte deutsche Kunstmarkt inklusive der Auktionshäuser.
Das Geldwäschegesetz wird zu einer Reduzierung des Umsatzes der Galerien beitragen, weil die Anforderungen im Alltag kaum zu erfüllen sind und eher zu einer weiteren Verunsicherung zwischen Verkäufer und Käufer beitragen. Die Mehrwertsteuer von 19 Prozent und die Künstlersozialabgabe von 5,2 Prozent sind zusätzlich eine echte Bedrohung, besonders für den Fortbestand der kleinen und mittelständischen Galerien in Deutschland.
Welche Funktionen haben Galerien denn in dieser herausfordernden Zeit?
Wir sind und bleiben die Plattform für die Präsentation von Kunst am Markt. Ohne diese Infrastruktur würde den Künstlerinnen und Künstlern einer der wichtigsten Bausteine zu einer Karriere fehlen. Die wirkliche Gefahr, die sich gerade in der Coronapandemie für die Kunst offenbart, ist der Verlust einer vitalen Galerienlandschaft. Es war nie einfach, aber die Pandemie hat nochmal verdeutlicht, auf welch fragilem Fundament die kleinen und mittelständischen Galerien operieren. Gleichwohl sind sie systemrelevant, weil Hunderte von Kunstschaffenden jährlich in die Selbstständigkeit entlassen werden, ohne dass es eine ausreichende Galerien-Infrastruktur gibt. Stipendien sind zwar wichtig, aber sie allein reichen als Kontinuum zwischen Ausbildung und Selbstständigkeit nicht aus.
Und wie ist es konkret um den hessischen Standort bestellt?
Eigentlich gut, wie ich finde: Die drei großen Kunsthochschulen in Hessen sind gut aufgestellt. Zum Beispiel hat die Städelschulabgängerin Anne Imhof schon als junge Künstlerin für ihren Beitrag bei der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen erhalten. Aber in Berlin kumulieren alle Vorteile einer Weltstadt, die attraktiv für eine pulsierende Kunstszene sind. Aus diesem Grund bevorzugen die meisten Künstlerinnen und Künstler nach ihrem Studium diese Stadt. Das Rhein-Main-Gebiet hätte aufgrund seiner Hochschulen und seiner wirtschaftlichen Potenz jedoch durchaus die Chance, durch gut durchdachte Förderprogramme,* wie preisgünstige Ateliers, ihre Studienabgänger an Hessen zu binden und mit ihrer Hilfe eine pulsierende Szene zu etablieren. Die Finanzierung sollte nicht das Problem sein. Investitionen sollten zielgerichteter eingesetzt werden.